»Es geht darum, einen klugen und dem Unternehmen entsprechenden Ausdruck zu finden.«
Valentin Heisters im Interview mit den CCI News des Corporate Communication Instituts der Fachhochschule Münster über den diesjährigen Erfolg des K+S AG Geschäftsberichts, Pitches und Print versus Online. Das Interview führte Frau Prof. Gisela Grosse.
CCI: Herr Heisters, der Geschäftsbericht der K+S AG belegte mit 86,01% den 1. Rang in der Gestaltung im Wettbewerb des Manager Magazin, herzlichen Glückwunsch zu diesem Erfolg :-). Vorausgegangen war ein Pitch um den Relaunch des Geschäftsberichtes, den Ihre Agentur gewonnen hat. Mit welchem Konzept konnten Sie K+S überzeugen? Was zeichnete diesen Pitch aus?
Valentin Heisters: Wir haben im Rahmen des Pitches etwas gehabt, was es in den meisten Fällen nicht gibt: genügend Zeit. Wir konnten uns auf die Herausforderung eine neue Geschäftsberichtslinie für eines der führenden Industrieunternehmen Deutschlands zu entwickeln ohne die übliche zeitliche Limitierung einlassen. Unsere Motivation war sehr hoch, da wir die Geschichte der K+S AG sehr spannend fanden und das Briefing von Beginn an den Aspekt der Nachhaltigkeit integrierte. Ich denke, wir überzeugten das Team auf Kundenseite letztlich durch unsere Gesamtleistung. Wir präsentierten vier komplexe Szenarien, die dem Kunden alle sehr gut gefallen haben. Das gab auf Kundenseite den Ausschlag, in uns den richtigen Partner zu sehen.
CCI: Wie sah die Idee des favorisierten Konzeptes aus?
Valentin Heisters: Der Slogan von K+S lautet »Wachstum erleben«, und diesen Slogan haben wir zunächst hinterfragt. Wir haben uns darüber Gedanken gemacht, was Wachstum in Sinne der K+S strategisch für die Zukunft bedeutet. Geht es in erster Linie um quantitatives oder geht es um ein qualitatives Wachstum? Diese Geschichte haben wir dann im Geschäftsbericht erzählt und durch das gesamte Unternehmen dekliniert. Wir haben den Slogan »Wachstum erleben« im wörtlichen Sinne erlebbar gemacht und die umfassende Bedeutung dieses Begriffs im Rahmen einer nachhaltigen Unternehmensstrategie dargestellt. Dabei leitete uns die Frage: Welchen Beitrag leistet das Unternehmen K+S, um weltweit Wachstum zu ermöglichen, und welche Qualität hat dieser Beitrag, um die nachhaltige Versorgung der Menschen mit Nahrungsmitteln zu gewährleisten?
CCI: Ist dieses Konzept realisiert worden oder gab es im Laufe der Zusammenarbeit Anpassungen?
Valentin Heisters: Wir haben im Rahmen dieses Projektes von Beginn an sehr viel über unseren Kunden gelernt. Die Zusammenarbeit war kontinuierlich durch einen sehr regen und integrierten Dialog gekennzeichnet. Auch eine externe Consultin, die zwischen Kunden und unserer Agentur beratend im Kundenauftrag tätig war, steuerte kontinuierlich wichtige Beiträge bei, die es unserem Team möglich machten, den Kunden und seine Werte und strategischen Ziele einzuschätzen. Dieser Prozess begann schon mit dem ersten Schulterblick während des Pitches und setzte sich während des gesamten Prozesses fort. Durch diesen Dialog kam der vom Kunden ausgewählte Pitchbeitrag dann schon sehr nah an den Geschäftsbericht, der später gedruckt wurde.
CCI: Der Geschäftsbericht gilt vielen Unternehmen als Leitmedium in der Unternehmenskommunikation. Die Entscheidung für eine neue Agentur hat Auswirkungen auf die Unternehmensdarstellung und auf die Unternehmensmarke. War diese Intention offen kommuniziert? Gab es hierzu strategische Vorgaben seitens des Unternehmens?
Valentin Heisters: Nein, auch wenn die Konzeption des Geschäftsberichts direkt auf die Unternehmensmarke Bezug nimmt, haben wir uns im Arbeitsprozess zunächst sehr intensiv mit dem Unternehmen auseinandergesetzt und uns darauf konzentriert, eine Konzeption für drei Jahre einer Geschäfts- und Nachhaltigkeitberichtstrategie zu entwickeln. Wir haben zusammen mit dem Kunden schließlich den Unternehmensclaim zum Thema der Trilogie gemacht. Das bedeutet: Wir haben eine sehr grundsätzliche und identitätsstiftende Geschichte entwickelt, von der wir denken, dass sie erzählt werden muss, wenn man verstehen möchte, welches Potenzial und welche Leistungsfähigkeit dieses fantastische Unternehmen birgt. Dass es im Sinne der Unternehmensmarke so grundsätzlich werden sollte, war also nicht geplant und / oder expliziter Teil des Briefings, es war aber der Vorschlag, der letztlich überzeugte und gemeinsam mit dem Management in seinen Botschaften ausgearbeitet wurde. Da der Prozess innerhalb des Unternehmens neben dem Top Management und den IR Experten auch den Bereich der Markenkommunikation integrierte, konnten wir gemeinsam eine sehr stimmige Lösung erarbeiten, die umfänglich alle Bereiche des Unternehmens integrierte und zu einem Teil des der Konzeption zugrundeliegenden Wertschöpfungsgedankens machte.
CCI: War die Zweiteilung des Geschäftsberichtes (Finanzbericht und Unternehmens- Nachhaltigkeitsbericht) Bestandteil des Briefings?
Valentin Heisters: Ja, der Gedanke der Zweiteilung war Teil der Vorgabe.
CCI: Im Finanzbericht finden wir den Brief an die Aktionäre, im Unternehmensbericht ein Vorwort, wie kommt es zu der unterschiedlichen Ansprache (welche Zielgruppen will der Bericht über die unterschiedliche Ansprache erreichen)?
Valentin Heisters: Der Nachhaltigkeitsbericht hat bei diesem Projekt den Namen »Unternehmensbericht« und richtet sich an alle Anspruchsgruppen, die mit dem Unternehmen in Kontakt treten. Der Finanzbericht hat darüber hinaus die Zielgruppe der Financial Community im Blick. Auch wenn der Finanzbericht ebenfalls über viele intangibles im Rahmen seiner Wert-Kommunikation berichtet, so finde ich es sehr sympathisch, dass der Nachhaltigkeitsbericht als der eigentliche »Unternehmensbericht« bezeichnet wird. Gerade ein Unternehmen, welches sich mit den grundlegenden Themen Wachstum und Ernährung befasst, ist in jedem seiner wirtschaftlichen Handlungsfeldern per se an nachhaltigen Entwicklungen interessiert.
CCI: Haben Sie für den Geschäftsbericht eine integrierte Konzeption erstellt? Welche Medien wurden dabei berücksichtigt und warum?
Valentin Heisters: Die Konzeption der Unternehmens- und Finanzberichte war in diesem Fall der Impulsgeber für eine breitere mediale Nutzung. Ich denke, es war letztlich der Stimmigkeit des Entwurfs und des generellen Zeitpunkts geschuldet, dass man die Konzeption in der beschriebenen Breite tatsächlich in dieser Konsequenz umsetzte. Die strategische Positionierung der wachstumsorientierten Leitidee und die damit verbundene Frage nach der Qualität und Nachhaltigkeit der Unternehmensstrategie entsprach den geforderten Kommunikationszielen. Letztlich war es aber auch einfach der richtige Zeitpunkt, im Bereich der Selbstdarstellung des Unternehmens neue Impulse zu setzen und die bis dato erzählte Markengeschichte weiter auszubauen.
CCI: Der diesjährige Geschäftsbericht der K+S AG zeichnet sich – im Vergleich zu Vorjahresberichten – durch eine eigenständige und durchgängige Fotografie aus, die mehr Geld kostet. Haben Sie durch eine crossmediale Nutzung der Fotografie Einsparungen erzielen können?
Valentin Heisters: Der wichtigste Moment in der gesamten Entwicklung der Imagekonzeption war der Moment, in dem sich das Unternehmen klar zu diesem Konzept bekannte und erklärte, dass man die Konzeption in ihrer Gesamtheit und Eigenständigkeit konsequent realisieren wolle. An diesem Punkt war der Vorstand konkret beteiligt und wurde zum direkten Anstoßgeber. Gleichzeitig wurde die Realisation eines Imagefilms und die Umsetzung einer konzernübergreifenden Imagebroschüre beschlossen. Man wusste also zu einem sehr frühen Zeitpunkt, dass eine crossmediale Nutzung der Konzeption und der damit verbundenen Bilder das Ziel der Entwicklung sein würde, und konnte so von Beginn an effektiv Synergien nutzen. Wir haben in dem niederländischen Fotografen Oscar van de Beek einen hervorragenden Partner gefunden, um die hohen Ansprüche an die Imagefotografie stimmig umzusetzen.
CCI: Worin bestand konkret die Herausforderung in der fotografischen Umsetzung?
Valentin Heisters: Es war wichtig, die emotionale Wirkung der Bilder im Vorfeld, also quasi am grünen Tisch, festzulegen, um diese dann gemäß dieser Vorgaben Realität werden zu lassen. Dabei war es wichtig, vor Ort eine authentische Bildwelt zuzulassen, ohne die formulierten Kommunikationsziele aus den Augen zu verlieren. Das Team um Oscar van de Beek hat da mit unserem Creative Director einen hervorragenden Job gemacht, der uns um den ganzen Erdball führte und die gesamte Breite der K+S AG eindrucksvoll visuell erlebbar machte.
CCI: In einer kleinen CCI Umfrage zur Bedeutung von Print- und Online Berichten wurde dem Print Bericht z.Zt. eine höhere Bedeutung als dem Online Bericht beigemessen, wie sehen Sie das?
Valentin Heisters: Ich denke, beim Reporting sind Printmedien unverzichtbar. Gerade in Zeiten komplexer Unternehmensstrategien und volatiler Märkte bietet der gedruckte Geschäftsbericht die Chance, den Charakter, die Entwicklung und das Zukunftspotenzial eines Unternehmens einmal jährlich nachvollziehbar zu formulieren und für den Leser in seiner Komplexität auf den Punkt zu bringen. Bei elektronischen Versionen von Geschäftsberichten muss man differenzieren. Ich halte z.B. HTML Geschäftsberichte für unbrauchbar um das Medium Geschäftsbericht adäquat und nutzwertorientiert abzubilden. Die allermeisten HTML Berichte dienen in meinen Augen lediglich der Spotbetrachtung und werden in der Regel von einem PDF im Nutzwert locker in die Tasche gesteckt. Mein Eindruck ist, dass diese Medien in erster Linie gut für die Agenturen sind, die diese Produkte entwickeln und vertreiben. Der tatsächliche Mehrwert für den Nutzer bleibt mir offen gesagt verborgen. Anders sieht es da bei Tablet Lösungen aus ...
CCI: Worin sehen Sie hier den wesentlichen Unterschied?
Valentin Heisters: Wir haben auch für den K+S Geschäftsbericht eine iPad Version entwickelt ,welche auf Unternehmensseite großes Interesse hervorgerufen hat. Der Unterschied zwischen einem HTML Bericht und einer iPad Version liegt schlicht in der Lesbarkeit und daraus resultierend in der Nutzbarkeit. Auf einem iPad lässt sich der Geschäftsbericht mediumsspezifisch in seiner gesamten Komplexität erfassen, blättern und intuitiv erfahren, auf einem Computerbildschirm scrollt niemand gerne einen Lagebericht von gefühlten drei Metern Länge nach unten. Hier werden höchstens einmal Zahlen gesucht oder jemand lädt sich eine einzelne Excel Tabelle herunter.
CCI: Sie sehen den HTML Geschäftsbericht also gemeinhin als überbewertet?
Valentin Heisters: Absolut. Einer unserer Kunden hat seinen HTML Geschäftsbericht im letzten Jahr einfach durch einen Link zum PDF Download ersetzt, da ihn die Klickraten trotz der Platzierung des Links im oberen Drittel auf der Homepage wenig begeisterten. Die Reaktion war, dass sich niemand zu dem Thema gemeldet hat, geschweige denn den Online Bericht vermisst gemeldet hätte. Stattdessen verzeichnete man eine sehr viel breitere Nutzung des an dieser Stelle nun angebotenen PDFs. Die Nutzer mögen das PDF eines Geschäftsberichts offenbar lieber als einen sperrigen Onlinebericht mit acht vertikalen Navigationsebenen, unendlichen Textlängen und einer lustigen, aber vollkommen nutzlosen Animation im Imageteil. Ich denke, die Entwicklung wird in Richtung brauchbarer Tablettversionen der gedruckten Berichte gehen. Dabei muss der Nutzwert und die Handhabbarkeit sowohl für die Anspruchsgruppen als auch für die Unternehmen im Mittelpunkt stehen. Niemand wird sich eine Geschäftsberichts-App mit 69 MB mal eben herunterladen und kein Unternehmen wird doppelt so viel für seinen Geschäftsbericht ausgeben, geschweige denn in der heißen Phase eine Minute mehr Zeit übrig haben, um eine entsprechende APP zu betreuen. Es muss hier schlanke und nutzwertorientierte Lösungen geben, die sich auch in der Budgetierung für die Unternehmen auszahlen und in einem gesunden Verhältnis zur Anzahl der Nutzer stehen. Wir treten hier für einen Freigabeprozess ein, aus dem heraus die einzelnen medialen Kanäle just-in-time bedient werden. Die automatisierte Integration solcher Lösungen in eine Unternehmens-App sind hier die Wege, die wir in Zukunft verstärkt beobachten werden.
CCI: Was verstehen Sie unter einem Freigabeprozess?
Valentin Heisters: Man geht heute dazu über, die Veröffentlichung des endgültigen Dokuments über einen einzigen Freigabevorgang zu realisieren. Das bedeutet, dass der Kunde mit der Freigabe des finalen pdf für die erste online Veröffentlichung zugleich auch die finale Freigabe für das Druckstück erteilt. In einem gut aufgestellten Workflow lassen sich aus dieser Freigabe dann weitere mediale Veröffentlichungsformen ableiten, ohne dass der Kunde erneut umfängliche Prüfungen vornehmen muss.
CCI: Sie haben den Geschäftsbericht 2010 der K+S AG über einen Pitch gewonnen. Von der K+S AG wissen wir, dass dieser Wettbewerb mit 6.500 Euro dotiert war? Halten Sie diese Honorierung für angemessen?
Valentin Heisters: Wir haben diese Honorierung ja nicht erhalten, da wir den Pitch für uns entscheiden konnten. Insofern wird klar, dass ein Pitch immer die realistische Chance darstellt, ein Unternehmen von der eigenen Arbeitsweise zu überzeugen und langfristig als Partner zu gewinnen. Ich halte das ausgelobte Honorar für hoch genug, um die Ernsthaftigkeit der Ausschreibung zu unterstreichen, und für zu niedrig, um eine tatsächliche Entschädigung für den Aufwand darzustellen, der im Rahmen eines solchen Wettbewerbs anfällt. Die Frage aber ist: Kann ein Pitchhonorar überhaupt eine angemessene Entschädigung darstellen? Wenn wir von einem Projekt und der Ernsthaftigkeit der Anfrage des Kunden überzeugt sind, dann werden wir unseren Aufwand in der Pitchphase nicht limitieren. Es gibt also keinen tatsächlichen Zusammenhang zwischen der Höhe eines Pitchbetrages und dem Aufwand, den wir in einem Pitch betreiben. Ist das Projekt interessant und der Kunde seriös interessiert und weiß, warum er uns fragt, gibt es keine Limitierung. Die einzige Limitierung ist die Frage, ob der Kunde ernsthaft an einer möglichen Zusammenarbeit mit uns interessiert ist. Wenn wir einen Pitch als einen reinen Einkaufspitch identifizieren, machen wir nicht mit. Genauso haben wir auch noch nie umsonst gepitcht oder an Pitches teilgenommen, bei denen die Anzahl der Teilnehmer das Ganze in den Bereich eines Glücksspiels bringt.
CCI: Die Namen der Teilnehmer am Pitch wurden nicht veröffentlicht, hätten Sie es begrüßt zu wissen, wie vielen und welchen Wettbewerbern Sie sich stellen?
Valentin Heisters: Wir wollten wissen, wie viele Agenturen mitmachen. Ich halte es für völlig unschädlich, wenn die Namen der anderen Mitbewerber auf dem Tisch liegen. Mir fällt kein Grund ein, dies nicht so zu handhaben.
CCI: Die K+S AG hat sich bei der Auswahl des Partners eines Design Consultant bedient, dieses im angelsächsischen Raum gut eingeführte Prozedere ist bei uns kaum üblich, welche Vorteile hatten Sie davon?
Valentin Heisters: Wir haben über den Consultant in erster Linie die Möglichkeit gehabt in einer frühen Projektphase etwas über den Kunden zu erfahren, was der Kunde uns in dieser Form nicht selber sagen kann, was aber für den Projektablauf extrem wichtig ist: Der Consultant schafft es in gewisser Weise die Selbstdarstellung des Auftraggebers zu objektivieren. Mit Beratern in diesem Bereich ist es aber wie mit allen Leuten: Wenn sie in ihrem Job gut sind, dann schaffen sie einen Mehrwert und ermöglichen Dinge, die für beide Seiten, für Agentur und Kunden von großen Vorteil sind. Sie bringen einen markenstrategischen Gesamtüberblick in das Projekt und leisten wichtigen Support und stellen zum Teil auch einen Vermittler dar, indem Sie den Kunden beraten, wie er zusammen mit der Agentur ein wirksames Kommunikationsprodukt entwickelt. Wenn der Consultant gut ist, dann erkennt er gute Lösungen und vermittelt zwischen Agentur und Kunden, um Dinge zu realisieren, die den Kunden und seine Kommunikation weiter bringen. Wenn Derjenige nicht gut ist, und auch solche Consultants bevölkern den Markt, kann das Projekt unter Umständen nie über einen bestimmten Qualitäts- und Wirksamkeitslevel hinauswachsen. In unserem Fall, bei K+S, war der Consultant sehr gut und stellte einen wichtigen Katalysator in der Projektentwicklung dar.
CCI: Die Geschäftberichte, die Sie betreuen, zeichnen sich durch eine sehr gute lesefreundliche Typografie auch im Detail aus. Nun wissen wir alle, dass Geschäftsberichte unter großem Druck entstehen, wie gelingt Ihnen trotzdem eine solch gute typografische Bearbeitung?
Valentin Heisters: Die Frage, wie macht man das eigentlich mit der guten Typografie, in jeder Tabelle und bis in den letzten Winkel des Anhangs, kann nur mit einem einfachen: »Indem wir es machen.« beantwortet werden. Für uns ist der bebilderte Imageteil eines Geschäftsberichts nicht wichtiger als der Anhang, der Lagebericht oder das Glossar. Der Bericht besteht in erster Linie aus langen Lesetexten, die alle Schwierigkeiten aufweisen, die ein gutes Lesen erschweren. Olaf Leu spricht passenderweise von »Leselangstrecken«. Es wimmelt nur so von Zahlen, Sonderzeichen und Versalien. Wer sagt: »Das liest ja sowieso keiner«, verkennt in meinen Augen den Charakter und den Zweck dieses Mediums. Wer einmal mit dabei war, wie in den Teams in den Unternehmen um jedes Zeichen und jede Zahl gerungen wird, bekommt Demut vor jeder Seite. Lesefreundlichkeit und Eindeutigkeit stehen in unserem Team im Mittelpunkt der Betrachtung. Wir realisieren auf jeder Seite und in jeder Sprache den höchsten denkbaren typografischen Standard, orientiert an einer optimalen Lesbarkeit. Jürgen Barthel von Siemens sagte einmal in einem resümierenden Interview über die Einführung der Unternehmensschrift »Siemens«: »Es hat eine riesige Wirkung gezeigt, eine gut lesbare und breit ausgebaute Unternehmensschrift einzuführen. Die Sache ist: Die Leute lesen eben doch.«
Nachfassfrage CCI: Arbeiten Sie nicht mit Redaktionssystemen?
Valentin Heisters: Wir haben bei K+S einen Geschäftsbericht übernommen, der jahrelang mit dem Redaktionssystem erstellt wurde und typografisch und gestalterisch Verbesserungspotenziale aufwies. Wir kennen die Chancen, aber auch die eklatanten Limitierungen von Redaktionssystemen und haben dem Kunden geraten, die letztendliche Version des Berichtes in einer realen DTP Umgebung zu realisieren. Man muss es klar benennen: Es gibt Redaktionssysteme, mit denen läßt sich nur sehr schwer eine hohe Qualität der Gestaltung erreichen. Der Kunde hat nun neben einem besser gestalteten und besser zu lesenden Geschäftsbericht mehr Zeit für seine eigentliche Aufgabe - und ist durch ein gutes Zeitmanagement übrigens ebenso schnell fertig geworden, wie in den Jahren zuvor. Abgesehen davon erreichte das Produkt in typografischen Rankings und Wettbewerben in den Augen unabhängiger Experten nun höchste Ratings.
CCI: Was sind die größten Herausforderungen beim Machen von Geschäftsberichten und wo entstehen die meisten Fehler?
Valentin Heisters: Die größte Herausforderung besteht darin, Geschäftsberichte zu entwickeln, die eigenständig aus der Identity des Unternehmen erwachsen und in der Lage sind, die Selbstwahrnehmung der Unternehmen glaubwürdig für Außenstehende zu objektivieren. Die Wirksamkeit von stimmigen Kommunikationsstücken, die nicht in erster Linie der Designideologie einer Agentur folgen, sondern glaubwürdig aus der Mitte eines Unternehmens erwachsen, ist überraschend hoch. Es geht nicht darum, einen Schönwetterbericht zu realisieren, der stereotyp allgemeinen Umgangsformen entspricht, sondern einen klugen und dem Unternehmen entsprechenden Ausdruck zu finden, der den Anspruchsgruppen authentisch auf Augenhöhe begegnet und in der Lage ist, langfristig Vertrauen aufzubauen. Im Entwurfsprozess sind Fehler übrigens ein wichtiges Mittel, um den richtigen gestalterischen konzeptionellen Weg zu finden. Wir entwickeln hier Szenarien und Hypothesen, um dann zusammen mit dem Kunden eine konzeptionelle Synthese zu finden. Zu einem richtigen Weg gehört eben auch ein falscher Weg, ohne oben gibt es kein unten. Das Herantasten an den Schlüssel einer Konzeption arbeitet mit dem Weiterdenken von szenarischen Ansätzen. Hier gilt in unserem Büro ein wichtiger Satz: Wir müssen zu Beginn der Konzeption die Fehler möglichst schnell machen, um den richtigen Weg zu gehen.
CCI: Lieber Herr Heisters, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Aus: »CCI News« der FH Münster (Ausgabe 13, 7. Jahrgang, April 2012). Die Ausgabe kann gegen eine Schutzgebühr von 10,00 EUR hier bestellt werden.